Workshop
9 May 2009

Stockende Zeit

Spannung der Langeweile, Verlangsamung und Stagnation
»Was ist die Langeweile doch schrecklich – ja, schrecklich langweilig! (…) Ich liege hingestreckt, untätig; das einzige, was ich sehe, ist Leere, das einzige, wovon ich lebe, ist Leere, das einzige, worin ich mich bewege, ist Leere. Nicht einmal Schmerz empfinde ich.«
(Søren Kierkegaard)

Die Rede von der Spannung der Langeweile mag auf dem ersten Blick als billige Paradoxie erscheinen. Tatsächlich aber ist uns jene spezifische Spannung wohl vertraut, die aus Verlangsamung, Langeweile und Stillstand erwächst. Für Kant bedeutet Langeweile die »Anekelung seiner eigenen Existenz aus der Leerheit des Gemüths an Empfindungen, zu denen es unaufhörlich strebt«. Dieses missglückte unaufhörliche Streben nach »Empfindungen« wird bei Martin Heidegger existentialistisch gewendet als Unmöglichkeit der Flucht vor sich selbst in die Zerstreuung. Langeweile als notgedrungenes bei sich sein. Auch intensivste künstlerische Momente verdanken sich einer unerträglichen Verlangsamung der Zeit. In der Erfahrung stockender Zeit wachsen Fluchtimpulse und Intensität gleichermaßen.

Wie hängen Langeweile und Spannung zusammen, wann erwächst aus Verlangsamung Intensität? In unterschiedlichen Zugängen möchte der Workshop Stockende Zeit Antworten auf diese Frage finden. Er fokussiert dabei besonders auf unterschiedliche Medien und Techniken der Verlangsamung oder des paradoxen rasenden Stillstands in Literatur (Alberto Savinio, J. W. Goethe), mündlicher Sprache (Autismus), Musik (John Cage), Film (Zeitlupe, Zeitraffer), Verkehr (Logistik) und Philosophie (Martin Heidegger).

Programm

10:00-10:30 Christoph Holzhey (Begrüßung)
Luca Di Blasi (Einleitung)

10:30-11:00 Rupert Gaderer: Ruhende Spannung – J. W. Goethes Ein gleiches

11:00-11:30 Claudia Peppel: Lethargie und Leiblichkeit bei Alberto Savinio

11:45-12:15 Christina Hünsche: John Cages Projekt »Organ2/As slow as possible«

12:15-12:45 Helga Lutz: Entwendetes Sprechen. Sprache und Autismus

12:45-13:15 Nina Wiedemeyer: Spannungs-Transformator

14:30-15:00 Cai Werntgen: „Schweigender Nebel in den Abgründen des Daseins“ – Heideggers Langeweile als Grundstimmung der Moderne

15:00-15:30 Alexander Klose: Verflüssigende Erstarrungen – die paradoxe Logik der Logistik

16:00-17:00 Abschlussdiskussion

Venue

ICI Berlin
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With

Rupert Gaderer
Christina Hünsche
Alexander Klose
Helga Lutz
Claudia Peppel
Cai Werntgen
Nina Wiedemeyer

Organized by

Luca Di Blasi

In German

First published on: https://www.ici-berlin.org/events/stockende-zeit/
Rights: © ICI Berlin
Cite as: Stockende Zeit: Spannung der Langeweile, Verlangsamung und Stagnation, workshop, ICI Berlin, 9 May 2009 <https://doi.org/10.25620/e090508>