Staged Reading
8 May 2009
8 May 2009
Blühende Sumpflandschaften
Über Stauungen, Stockungen und die Produktivität des Stillstandes
Stehende Gewässer haben keinen guten Ruf. Von der Antike bis zur Gegenwart werden einer beharrlichen Ideologie folgend Flüsse, Ströme, Fließendes aller Art als positiv empfunden, während das Stillstehende, Stagnierende mindestens mit heimlichem Misstrauen beäugt, wenn nicht gar offen abgelehnt wird. Im Stillstand, so glaubt man, lauert das Schlechte, dasjenige, was es zu vermeiden, der Ort, von dem es sich fernzuhalten gilt, in ihm wittert man Krankheit, Wahnsinn und Tod.
Solch Politik und Lager übergreifender Glaube fordert Widerspruch heraus. Das Leseprogramm mit aktuellen und klassischen Texten aus Literatur, Wissenschaft und Kunst widmet sich den Kehrwassern, Strudeln und Untiefen im Strom der Geschichte: den Zonen des Stillstands, den Zauderern und Nicht-Handlern, den ver-rückten Zeitlichkeiten, den Widergängern, Untoten und Gespenstern.
Mit Fundstücken und längeren Passagen u.a. von Iwan Gontscharow, Gertrude Stein, Thomas Bernhard, Søren Kierkegaard, August Thienemann und eigenen Texten der Lesenden.
Venue
ICI Berlin(Click for further documentation)
With
Christina HünscheAlexander Klose
Isabel Kranz
Helga Lutz
Nina Wiedemeyer
Rupert Gaderer
Organized by
Butis ButisICI Berlin
In German
First published on: https://www.ici-berlin.org/events/bluehende-sumpflandschaften/Rights: © ICI Berlin
Part of the Workshop
Stockende Zeit: Spannung der Langeweile, Verlangsamung und Stagnation
»Was ist die Langeweile doch schrecklich – ja, schrecklich langweilig! (…) Ich liege hingestreckt, untätig; das einzige, was ich sehe, ist Leere, das einzige, wovon ich lebe, ist Leere, das einzige, worin ich mich bewege, ist Leere. Nicht einmal Schmerz empfinde ich.«
(Søren Kierkegaard)
Die Rede von der Spannung der Langeweile mag auf dem ersten Blick als billige Paradoxie erscheinen. Tatsächlich aber ist uns jene spezifische Spannung wohl vertraut, die aus Verlangsamung, Langeweile und Stillstand erwächst. Für Kant bedeutet Langeweile die »Anekelung seiner eigenen Existenz aus der Leerheit des Gemüths an Empfindungen, zu denen es unaufhörlich strebt«. Dieses missglückte unaufhörliche Streben nach »Empfindungen« wird bei Martin Heidegger existentialistisch gewendet als Unmöglichkeit der Flucht vor sich selbst in die Zerstreuung. Langeweile als notgedrungenes bei sich sein. Auch intensivste künstlerische Momente verdanken sich einer unerträglichen Verlangsamung der Zeit. In der Erfahrung stockender Zeit wachsen Fluchtimpulse und Intensität gleichermaßen.
Wie hängen Langeweile und Spannung zusammen, wann erwächst aus Verlangsamung Intensität? In unterschiedlichen Zugängen möchte der Workshop Stockende Zeit Antworten auf diese Frage finden. Er fokussiert dabei besonders auf unterschiedliche Medien und Techniken der Verlangsamung oder des paradoxen rasenden Stillstands in Literatur (Alberto Savinio, J. W. Goethe), mündlicher Sprache (Autismus), Musik (John Cage), Film (Zeitlupe, Zeitraffer), Verkehr (Logistik) und Philosophie (Martin Heidegger).
Programm
10:00-10:30 Christoph Holzhey (Begrüßung)
Luca Di Blasi (Einleitung)
10:30-11:00 Rupert Gaderer: Ruhende Spannung – J. W. Goethes Ein gleiches
11:00-11:30 Claudia Peppel: Lethargie und Leiblichkeit bei Alberto Savinio
11:45-12:15 Christina Hünsche: John Cages Projekt »Organ2/As slow as possible«
12:15-12:45 Helga Lutz: Entwendetes Sprechen. Sprache und Autismus
12:45-13:15 Nina Wiedemeyer: Spannungs-Transformator
14:30-15:00 Cai Werntgen: „Schweigender Nebel in den Abgründen des Daseins“ – Heideggers Langeweile als Grundstimmung der Moderne
15:00-15:30 Alexander Klose: Verflüssigende Erstarrungen – die paradoxe Logik der Logistik
16:00-17:00 Abschlussdiskussion
(Søren Kierkegaard)
Die Rede von der Spannung der Langeweile mag auf dem ersten Blick als billige Paradoxie erscheinen. Tatsächlich aber ist uns jene spezifische Spannung wohl vertraut, die aus Verlangsamung, Langeweile und Stillstand erwächst. Für Kant bedeutet Langeweile die »Anekelung seiner eigenen Existenz aus der Leerheit des Gemüths an Empfindungen, zu denen es unaufhörlich strebt«. Dieses missglückte unaufhörliche Streben nach »Empfindungen« wird bei Martin Heidegger existentialistisch gewendet als Unmöglichkeit der Flucht vor sich selbst in die Zerstreuung. Langeweile als notgedrungenes bei sich sein. Auch intensivste künstlerische Momente verdanken sich einer unerträglichen Verlangsamung der Zeit. In der Erfahrung stockender Zeit wachsen Fluchtimpulse und Intensität gleichermaßen.
Wie hängen Langeweile und Spannung zusammen, wann erwächst aus Verlangsamung Intensität? In unterschiedlichen Zugängen möchte der Workshop Stockende Zeit Antworten auf diese Frage finden. Er fokussiert dabei besonders auf unterschiedliche Medien und Techniken der Verlangsamung oder des paradoxen rasenden Stillstands in Literatur (Alberto Savinio, J. W. Goethe), mündlicher Sprache (Autismus), Musik (John Cage), Film (Zeitlupe, Zeitraffer), Verkehr (Logistik) und Philosophie (Martin Heidegger).
Programm
10:00-10:30 Christoph Holzhey (Begrüßung)
Luca Di Blasi (Einleitung)
10:30-11:00 Rupert Gaderer: Ruhende Spannung – J. W. Goethes Ein gleiches
11:00-11:30 Claudia Peppel: Lethargie und Leiblichkeit bei Alberto Savinio
11:45-12:15 Christina Hünsche: John Cages Projekt »Organ2/As slow as possible«
12:15-12:45 Helga Lutz: Entwendetes Sprechen. Sprache und Autismus
12:45-13:15 Nina Wiedemeyer: Spannungs-Transformator
14:30-15:00 Cai Werntgen: „Schweigender Nebel in den Abgründen des Daseins“ – Heideggers Langeweile als Grundstimmung der Moderne
15:00-15:30 Alexander Klose: Verflüssigende Erstarrungen – die paradoxe Logik der Logistik
16:00-17:00 Abschlussdiskussion
Venue
ICI Berlin(Click for further documentation)
With
Rupert GadererChristina Hünsche
Alexander Klose
Helga Lutz
Claudia Peppel
Cai Werntgen
Nina Wiedemeyer
Organized by
Luca Di BlasiCite as:
‘Blühende Sumpflandschaften: Über Stauungen, Stockungen und die Produktivität des Stillstandes’, staged reading presented at the workshop Stockende Zeit: Spannung der Langeweile, Verlangsamung und Stagnation, ICI Berlin, 8 May 2009 <https://doi.org/10.25620/e090508-1>